Wir haben im Frühjahr ein Elektrofahrzeug gekauft und nutzen dies seit der Auslieferung im Juni 2019 in unserer Familie intensiv.
Ich bin 2019 vom Interessent zum Käufer und Fan geworden. Das hat ideologische bzw. ökologische Gründe, es hat aber auch schlichte Vorteile für unseren Alltag. Darüber möchte ich bloggen. Ich teile das in mehrere Artikel und werde vermutlich auch später noch was nachreichen.
Zunächst ein kleiner Rant über die Medien, die Gesellschaft und den Umgang mit der Elektromobilität.
In Zeitungen erscheinen mittlerweile immer mal wieder Berichte über exklusive Challenges wie z.B. 1500 Kilometer bis ans schwarze Meer oder an einem Tag quer durch Deutschland. Meistens geht es darum, deutlich mehr als eine Akkuladung an einem Tag zu machen. Meistens ist der Autor alleine unterwegs und nutzt die Ladezeit um sich darüber aufzuregen dass die Ladezeit nun halt dauert. Oder eine Fahrt bis der Akku leer ist (finde das Video leider nicht mehr, vielleicht wurde es gelöscht). Man hat eine ZOE (Werbungsangabe 300 km) im bergigen Alpenvorland gefahren und das Auto blieb nach 318 km (!) liegen und wurde abgeschleppt. Als Fazit beim Zuschauer bleibt aber eine ZOE, die auf dem Abschleppwagen transportiert werden muss weil der Akku unterwegs leer ging.
Ich finde solche Berichte nicht gut. Nicht gut für die Akzeptanz der Elektromobilität und nicht gut für die Journalisten und ihre Verlage, die damit ganz klar bekennen wie engstirnig sie in das Projekt gehen. Und selbst wenn Pioniere und Fans der Elektromobilität solche Artikel schreiben, ist das nicht gut. Weil der Leser immer nur von den Ladepausen berichtet bekommt. Man liest den Artikel und im Kopf bleibt "Oh Mann, der musste sich ständig Gedanken ums Aufladen machen" oder "Ach je, bei jedem Bericht haben irgendwelche Ladesäulen nicht funktioniert". Der Autor begreift die Fahrt an sich als das Ziel, diese Botschaft lässt sich aber nicht adäquat transportieren. Die meisten Menschen haben einen Alltag. Und der ist deutlich anders. Wir kaufen uns meistens das Auto doch für den Alltag und nicht für eine challenge.
Es ist doch ganz einfach: Das Verbrenner-Auto ist halt anders als ein Elektroauto. Und nur weil wir von Kind an, in der Fahrschule und bei den meisten auch eine ganze Zeit lang danach die Eigenheiten des Verbrenners als Normalzustand gelernt haben bedeutet das ja nicht, dass sich alles was kommt nun zwingend an diesem Maßstab orientieren muss. Es bedeutet auch nicht, dass ein anderes Antriebskonzept in allen Kriterien gleichzeitig "besser" sein muss um zu überzeugen. Es muss nur zum Alltag passen oder man muss offen genug sein um seinen Alltag so umzustellen dass es passt.
Da es in unserer Gesellschaft viele Jobs gibt, die sich so nur wegen der Eigenheiten des Verbrennungsmotors entwickeln konnten, wird das nicht ad hoc bei jedem so möglich sein. Ich denke da z.B. an den ganzen Vertriebs-Außendienst, der ökologisch eine Katastrophe ist, egal mit welchem Transportmittel. Diese Berufsgruppe konnte sich nur durch unsere extrem billige Individual-Mobilität entwickeln. Ich kann bei drei Firmen ein Produkt für 1.000 € anfragen und bekomme von drei Vertretern Besuch hier vor Ort anstatt dass man mir vernünftig aufbereitete Unterlagen per Mail schickt. Das ist doch Irrsinn und wird sich auch wieder ändern. Die Möglichkeit zur Mobilität ist unbedingt wichtig. Mobilität ist Freiheit aber doch bitte kein Freibrief um jeden Quatsch damit zu machen!
Auch Spezialfahrzeuge wie Handwerker-Kastenwagen oder Lkw dürfen sicherlich nicht der Maßstab sein an dem wir jetzt die gesamte Alltagstauglichkeit der bisher entwickelten Elektromobilität messen.
Wir als Familie brauchten jedenfalls ein Fahrzeug mit dem man Kinder zu Kindergarten und Schule bringen kann, mal einen Familienausflug machen und die Einkäufe erledigen kann. Und das ist vermutlich eine Situation für die in Deutschland viele - ja vermutlich sogar sehr viele - Autos angeschafft werden. Eigentlich der klassische Zweitwagen für den ländlichen Raum, fernab von öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur leider ist es wohl zu langweilig über diesen Einsatzzweck zu schreiben und daher liest man in vielen Medien nur von den besonderen challenges die dann subjektiv zu bewerten sind, was meistens nach hinten los geht.
(Wer in dem Artikel etwas zur Umweltbilanz des Elektroautos erwartet hat: Nein. Wer darüber diskutieren will, soll das in seiner Filterbubble machen. Wer sich breit informiert muss nicht diskutieren.)